Standpunkte 4/2019

Foto: Kzenon – stock.adobe.com Fotos: Christian Augustin Inzwischen gibt es in Deutschland zwar mehr als 1.000 Initiativen und Einzelprojekte, um Frauen in MINT- Berufe zu bekommen. Doch noch immer sind sie in technischen Professionen unterrepräsentiert. Inzwi- schen sinkt der Anteil weiblicher Azubis in der dualen Ausbildung sogar wieder. Wie kann gegengesteuert werden? Und was tut eigentlich die M+E-Industrie? Als Sonja Neubert 1987 ihr Studium der Feinwerktech- nik in Esslingen begann, war sie eine von gerade mal zwei jungen Frauen unter 50 Studienanfängern. Heute leitet sie die Siemens-Niederlassung in Hamburg und sagt: „Junge Frauen: Traut Euch! Ihr müsst weder in Ma- the noch in Physik Überflieger sein. Das war ich auch nicht.“ Damit spricht die 56-jährige Diplom-Ingenieurin ein Phänomen an, dass ihrer Meinung nach bei jungen Frauen häufig zu beobachten ist: Die Neigung, sich erst dann für einen technischen Beruf zu bewerben, wenn sie ganz sicher sind, dass sie die Materie völlig beherr- schen. „Jungs sind da anders, die treten wesentlich selbstbewusster auf, auch wenn die Noten nicht ganz so gut sind“, so Neubert. Frauen und Technik? Es bleibt noch viel zu tun! Diesen Umstand kennt auch Silke Störcker, MINT-Bot- schafterin der Bundesagentur für Arbeit in Kiel. „Ge- rade einmal zehn Prozent der im Jahr geschlossenen MINT-Ausbildungsverträge werden mit weiblichem Nachwuchs geschlossen. Da bleibt noch viel zu tun, vor allem, wenn es um die duale Ausbildung geht“, sagt sie. Die wenig ausgeprägte Neigung der weiblichen Jugend, einen technisch-gewerblichen Ausbildungsberuf zu er- greifen, führt sie auf zahlreiche Faktoren zurück. „Fa- miliäre Prägungen, Klischeedenken und zum Teil auch eine zu geringe Transparenz über die Berufe kommen da unter anderem zusammen“, so die Beraterin. Hört sich dramatisch an, obwohl die Zahlen imakademi- schen Bereich eigentlich eine positive Tendenz aufwei- sen. Denn im Unterschied zu der Zeit, als Siemens-Ham- burg-Chefin Neubert ihr Studium aufnahm, liegt der Anteil der Frauen unter den Studienanfängern in den MINT-Fächern heute weit höher als bei den damaligen vier Prozent. Rund ein Drittel aller Studienanfänger in den MINT-Fächern ist inzwischen weiblich. Der Anteil von Frauen in zahlreichen Studienfächern wächst kon- tinuierlich an. 580.000 der bundesweit 2,7 Millionen MINT-Akademiker sind Frauen. Die Zahl der Absolven- tinnen in dem Bereich nahm in vier Jahren um 21,8 Pro- zent zu. Dennoch: Nur ein Fünftel der Erwerbstätigen im naturwissenschaftlich-mathematischen Bereich ist weiblich. Dabei könnten längst mehr Frauen, gerade in bisher „klassischen Männerberufen“, aktiv sein. Die Folgen wären fundamental: Frauen verändern die Atmosphäre und das Miteinander in Betrieben. Klassi- sche Rollenklischees werden sukzessive aufgelöst. Der zunehmende Nachwuchskräftemangel führt dazu, dass in technischen Berufen vermehrt auf Frauen gesetzt wird. Oder, wie die ehemalige Bundesbildungsminis- terin Johanna Wanka es 2015 formulierte: „Die junge Frauengeneration ist so gut ausgebildet wie noch nie, wir können und wollen in Deutschland auf das Poten­ zial dieser Frauen in MINT-Berufen nicht verzichten.“ Fehlender Coolness-Faktor Eine Erhöhung ihres Frauenanteils kann sich beispiels- weise dieMenck GmbH in Kaltenkirchen vorstellen. Das Unternehmen bietet seit mehr als 45 Jahren spezielle Lö- sungen für Kunden aus den Bereichen Öl- und Gasförde- rung, Windparks sowie Brücken- und Hafenbau an und produziert Spezial-Equipment wie riesige hydraulische Hämmer. Oliver Rheinländer aus der Abteilung Lead Human Resources würde gern mehr Frauen als Auszu- bildende gewinnen. Allein es fehlt an Bewerberinnen. „Wir haben zwar unlängst zwei junge Frauen als Aus- Warum Mädchen und MINT zusammenpassen Der Anteil junger Frauen in den mathematisch- naturwissenschaftlichen Berufen steigt. Aber nicht in dem Maße, wie erwartet und benötigt. Sonja Neubert, Siemens Hamburg „Junge Frauen: Traut Euch! Ihr müsst weder in Mathe noch in Physik Überflieger sein. Das war ich auch nicht.“ Imke Kuhlmann, NORDMETALL „Wir brauchen Frauen als Vorbilder.“ Traut Euch! Junge Frauen: 10 4/2019 Standpunkte NORDMETALL 11 4/2019 Standpunkte NORDMETALL

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