Standpunkte 2/2019

mitteln, wie sichere Funksysteme für das ganze Verteidigungsbündnis auch im Einsatz unter Extrembedingungen in der afghanischenWüste funktionieren – das war eine gelegentlich raue Erfahrung“, berichtet Dr. Michael Winkler und lä- chelt vielsagend. HELLA holte ihn, mittlerweile verheira- tet und Vater dreier Kinder, 2011 nach Lippstadt, wo er für Fahrzeugzugangs- systeme und Karosserieelektronik ver- antwortlich zeichnete. „Als ich in die westfälische Kleinstadt kam, hatte ich erst Sorge, dass es mir dort zu eng wer- den könnte. Aber dann habe ich festge- stellt, dass die HELLA-Konzernwelt ähn- lich international aufgestellt ist, wie die der 29 NATO-Staaten“, erinnert sich der weitgereiste Dr. Winkler. 135 Standorte in über 35 Ländern, mehr als 40.000 Mit- arbeiter, die zwischen Vietnam und den USA einem Unternehmen mit aktuell über fünf Milliarden Euro Börsenwert angehören – HELLA ist ein „Hidden Champion“ der deutschen Industrie. Global entwickeln, regional produzieren Angesichts der funktionierenden Strate- gie, global intensiv zu entwickeln und regional marktnah zu produzieren, sei man gut aufgestellt für die nächsten Jah- re, auch wenn die Autoindustrie vor his- torischen Umwälzungen stehe, glaubt der Bremer Manager. Im Bremer Werk ziehen sie deshalb alle an einem Strang, sogar gegen Sonntagsschichten hatte die Gewerkschaft nach einigen Verhand- lungsrunden nichts mehr einzuwenden. Dr. Winklers Konzernchef teilt die positi- ve Einschätzung, sieht aber kurzfristig ein „anspruchsvolles Marktumfeld“ auf das erfolgsverwöhnte Unternehmen zu- kommen: „Wir gehen von einer weiter „Energiemanagement, Fahrzeugkontrolle und Fahrerassistenz sind unsere Kernkompetenzen“ nachlassenden Marktentwicklung sowie steigenden Material- und Personalkos- ten aus“, sagte Dr. Rolf Breidenbach im April. Dr. Michael Winkler glaubt an den Lang- zeit-Erfolg eines „gut gesteuerten evolu- tionären Prozesses: Die Mobilität der Zu- kunft ist elektrisch, voll vernetzt und autonom. Für diesen Markttrend sind wir mit unseren Produkten zwischen Energiemanagement, Fahrzeugsensorik und Fahrerassistenz bestens gerüstet“. Exakte Koordination, Freude am Tempo, Lust auf Erneuerung – diese Kombinati- on leitet den ausgesprochen organisier- ten Manager auch privat: Tanzen ist sein Hobby, am liebsten Fox und immer mit der Gattin, die er in einer Tanzschule kennengelernt hat. Haltung prägt. Alexander Luckow Automotive-Unternehmen wie HELLA stets Innovationen anbietet, weiß Dr. Winkler: „Ich habe hier ein eigenes Vor- entwicklungsteam mit 10 Leuten, die längst nicht nur an neuen Sensoren dran sind. Die Kollegen entwickeln gerade eine Cloud-Lösung, in der Straßenzu- stand und Luftqualitätsdaten per Funk gesammelt und weiterverteilt werden.“ HELLA ist mit solchen Neuheiten seit 120 Jahren erfolgreich: 1899 von Sally Wind- müller als „Westfälische Metall-Indus­ trie Aktien-Gesellschaft (WMI)“ im be- schaulichen Lippstadt gegründet, produ- zierte man erst Ballhupen, Kerzen- und Petroleumlampen für Kutschen. Mit dem Siegeszug des Autos begann zu Anfang des 20. Jahrhunderts der weltweite Ver- kaufserfolg von HELLA-Scheinwerfern, die Familienfirma (s. Kasten S. 49) zählte schon 1911 fast 400 Mitarbeiter. Nach dem Borgward-Konkurs im Sommer 1961 etablierte der Lippstädter Konzern an der Weser eine Außenstelle mit 30 ehemali- gen Isabella-Bauern – die Keimzelle von HELLA Bremen war gegründet. Mitte der 60er-Jahre produzierten weit über 100 Kollegen schon 12.000 „Blinkgeber“ – pro Tag. HELLA-DNA: Tradition und Technikinnovation „Tradition und Technikinnovation sind unsere DNA“, sagt Dr. Winkler. Diese Grundhaltung gilt auch für ihn, den ge- bürtigen Hannoveraner mit weltläufiger Studien- und Berufserfahrung: Wäh- rend des Ingenieursstudiums an der Lei- ne absolviert er Auslandsemester im südenglischen Bristol und bretonischen Brest, lernt Management-Systeme im schweizerischen St. Gallen kennen. Bei Bertelsmann in Gütersloh fängt er 1998 als Technologieberater an, unter ande- rem, um zu klären, „wie viele Bücher pro Sekunde über einen Lichtwellenleiter übertragbar sind“. Zwischendurch findet er noch Zeit für etwas Kommunalpolitik als Ratsmitglied in der niedersächsi- schen Landeshauptstadt. Ab 2005 zieht es ihn für sechs Jahre zur NATO ins nie- derländische Den Haag, wo er wichtige Führungserfahrung sammelt: „Offizie- ren aus verschiedensten Nationen zu ver- „Wir bauen umweltgerech- te Mobilitäts- zukunft ,made in Bremen‘“ Foto: Christian Augustin Der Unternehmensname spiegelt die Familientradition: „Hella“ ist die Kurzform von Helene. Diesen Vornamen trug die Gattin des Firmengründers Sally Windmüller. Gleichzeitig klingt HELLA nach heller – die HELLA-Schein- werfer lassen grüßen. „Acetylen-Laternen für Automobile“ fertigte man im westfälischen Lippstadt schon im Jahr 1900. Der erste Käfer-Prototyp von 1936 erhielt HELLA-Leuchteinheiten, in den 60er-Jahren erfand man das asymmetrische Abblendlicht und expandierte in die Welt. Im zurückliegenden Geschäftsjahr erwirtschaftete der Konzern 7,1 Milliarden Euro Umsatz. Das operative Ergebnis (Ebit) betrug in diesem Zeitraum 574 Millionen Euro. Traditionsfirma HELLA 48 2/2019 Standpunkte NORDMETALL 49 2/2019 Standpunkte NORDMETALL

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