Standpunkte 2/2019

arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen. Es gibt ein knappes Dutzend Regeln, die sich nicht nur aus gesetzlichen Arbeits- und Ru- hezeiten ergeben, sondern die schlicht wich- tig für Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer sind. Zum Beispiel der Vorwärtswechsel von der Früh- in die Spät- und anschließend in die Nachtschicht, der sich als funktionierendes Instrument be- währt hat. Allerdings muss man auch sagen: Es ist häufig ein langer Prozess, die Unter- nehmen dahin zu bringen, dass sie Betriebs- räte mitnehmen, die Beschäftigten intensiv einbinden, um mit flexibleren Modellen zu arbeiten. Tillmann-Bramkamp: Auch auf der Ar- beitnehmerseite müssen wir nicht selten hart daran arbeiten, wenn wir alte Gewohn- heiten aufbrechen wollen, um modernere und belastungsoptimierte Schichtstruktu- ren einzuführen. Ein wichtiger Punkt, der im Prozess nicht ausreichend einbezogen wird, sind die Familien, das soziale Umfeld Standpunkte: Schichtarbeit ist als notwen- diges Instrument industrieller Produktion seit über einem Jahrhundert anerkannt: Hochöfen müssen dauerhaft brennen, Pro- duktionsstraßen sinnvoll ökonomisch ausgelastet werden. Sind heute auch an- spruchsvolle Vier- oder Fünfschichtsysteme mit Anforderungen der flexiblen Arbeits- zeitgestaltung vereinbar? Stowasser: Ja, das ist sehr gut möglich. Das ifaa hat in einer Untersuchung über 3.000 Schichtpläne ausgewertet. Wir haben gut 700 Systeme für typische Produktionsbe- triebe und Personalsituationen herausgear- beitet und festgestellt: Die Unternehmen orientieren sich mittlerweile sehr stark an Prof. Dr. Sascha Stowasser … stammt aus dem badischen Rastatt, studierte in Karlsruhe erst Wirtschaftsingenieurswesen, dann an der Fernuniversität Hagen soziale Verhaltenswissenschaften. 2005 habilitierte er im Bereich Arbeitswissenschaften, seit 2008 ist er als Direktor und geschäftsführender Vor­ stand des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa) in Düsseldorf tätig. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat er zudem eine außerplanmäßige Professur inne. Thomas Tillmann- Bramkamp … ist im sauerländischen Schmallenberg aufgewachsen. Er absolvierte eine Ausbildung zum Textilmechaniker bei Falke Garne, wurde Jugend- und Ausbildungsvertreter und Betriebsrat. Nach Stationen an der Sozialakademie Dort­ mund und Gewerkschaftssekretär bei der Gewerkschaft Textil-Bekleidung in Berlin und Bremen wirkt er seit 1998 bei der IG Metall in Oldenburg und Wilhelmshaven, Arbeitsschwerpunkt Tarifarbeit, Leistungs- und Arbeits­ zeitpolitik. Zwei Menschen, zwei Sichtwei- sen: Der Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) Prof. Dr. Sascha Sto- wasser (48) und der politische Sekretär der IG Metall Oldenburg Thomas Tillmann-Bramkamp (59) diskutieren über Schichtar- beit: ihre grundsätzliche Notwen- digkeit, konkrete Ausgestaltung und Kompatibilität mit den An- forderungen der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts. Foto: Christian Augustin Foto: ifaa, Tania Walck 42 2/2019 Standpunkte NORDMETALL 43 2/2019 Standpunkte NORDMETALL

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